Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Kathrin Passig und Sascha Lobo haben Recht mit ihrer Behauptung, der Welt habe ihr Buch »Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin« gefehlt. Schließlich beschränkt sich die übliche Lebensorganisationsliteratur darin, Plattitüden zu verbreiten und dazu aufzufordern, sich halt irgendwie zusammenzureißen. Der Ratgeber von Passig und Lobo geht die Sache anders an. Er akzeptiert die Welt als eine nicht perfekte und wirbt für die Möglichkeit, sich trotzdem so in ihr einzurichten, dass man glücklich wird – ein allgemein unterschätzter, aber gleichzeitig außerordentlich guter Anspruch.

Dieser Artikel ist genau genommen nur deswegen bebildert, weil der „Hier müsste eigentlich dringend ein Foto hin“-Witz wohl extremst abgenutzt ist.
Video: iRead/Verlag

Gestützt von – aufs Wesentliche reduzierten und daher sehr gut lesbaren – Forschungserkenntnissen über das Aufschieben von Aufgaben, räumen die Autoren rasch mit dem Irrglauben auf, Prokrastination, wie man als Wissenschaftler und auch in Kreisen fortgeschrittener Betroffener sagt (man hat ja Zeit, sich umfangreich über sein Verhalten zu erkundigen, dabei fällt auch schon mal ein Fachbegriff ab), sei eine grundsätzlich schlimme Sache und allein Selbstdisziplin sei ein tauglicher Heilsbringer. Die sich darauf beim selbst mit einem mehr oder weniger großen Mangel an Selbstdisziplin ausgestatteten Leser einstellende Erleichterung allein mag schon den Buchpreis von 19,90 € rechtfertigen.

Passig und Lobo gehen aber weiter. Sie zeigen auch auf, wie hilfreich eine gesunde Faulheit und die Neigung, Dinge aufzuschieben, sein können. Worin sonst als in dem Willen, Arbeit zu vermeiden, sollten wirklich innovative Problemlösungen ihren Ursprung haben? Im Übrigen lernt man durch nichts anderes besser als durch zünftiges Aufschieben, auch unter Druck brauchbare Ergebnisse zu liefern.

Am meisten Spaß und/oder Gewinn dürfte die Lektüre dieses Buchs, welches sich auf seinen 287 Seiten selbstverständlich eingehend mit dem Arbeitsleben, der Haushaltsführung und gängigen Ansätzen zur Problemlösung auseinandersetzt, bringen, wenn man als Leser bereits ein realistisches Bild der eigenen Selbstdisziplin hat und auch mit herannahenden Deadlines und dem Ignorieren von To-do-Listen einigermaßen vertraut ist.

Wer nach der Lektüre jedoch meint, dem Buch fehlten konkrete Tipps der Art

»Seien Sie entspannt,
fangen Sie gleich morgen damit an!«,

sollte es nochmal lesen (oder verschenken). Das ganze Werk ist vielmehr als unterhaltsame Denkanregung zu verstehen. Als Anregung, über die eigenen Lebensumstände nachzudenken und die Notwendigkeit etwaiger missliebiger Aspekte im Interesse ihrer Beseitigung zu hinterfragen.

Denken hilft schließlich fast immer.

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